veröffentlicht am 17.07.2025 11:06
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Fachartikel
Netze & Netzanschluss, Technologien

100 Millisekunden sind das Zeitlimit

Um gefährliche Schwankungen im Stromnetz auszugleichen, entsteht im Südwesten Deutschlands eine der modernsten Anlagen der Energiewende: ein hybrider Netzbooster.
Reihen von Großbatteriespeichern mit Windrädern im Hintergrund.
© AdobeStock

Unweit von Heilbronn, im fränkischen Kupferzell, soll Anfang 2026 ein hybrider Netzbooster mit Wasserstoffturbine und Lithium-Eisenphosphat-Batterien ans Netz gehen. Hydrogreenboost hat eine Leistungskapazität von 250 Megawatt und kann mehr als bloß lokale Schwankungen im Netz ausgleichen: Er soll überregionale Ungleichgewichte nivellieren, die schlimmstenfalls einen Blackout auslösen könnten – wie jüngst auf der Iberischen Halbinsel. Um das zu leisten, muss der Booster in Nullkommanichts anspringen.

Deshalb haben sich die am Projekt beteiligten Ingenieure und Forscherinnen vom Karlsruher Institut für Technologie, von der Technischen Hochschule Ulm, dem Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg sowie des Übertragungsnetzbetreibers Transnet-BW für den Einsatz einer schnellen Hochleistungsbatterie entschieden. Die liefert für ein paar Minuten Strom, bis die Wasserstoffturbine aufgeheizt ist und den Job übernimmt. Im Idealfall verbrennt die Turbine grünen, also fossilfrei erzeugten Wasserstoff, notfalls auch andere Varianten. Solange Kupferzell noch nicht ans Kernnetz angeschlossen ist, erhält Hydrogreenboost das gasförmige Kraftfutter aus einem Tank vor Ort. Denkbar sei aber auch, heißt es vonseiten des Konsortiums, dass der grüne Wasserstoff für die Turbine künftig in einem eigenen Elektrolyseur erzeugt wird.

Das Projekt gilt als zukunftsweisend und wird vom Bund und vom Land Baden-Württemberg mit mehreren Millionen Euro gefördert, stellt die Betreiber allerdings vor erhebliche Herausforderungen: Die Batterie muss Energie innerhalb von Millisekunden bereitstellen, um die Netzschwankungen auszugleichen. „Wir brauchen 100 Millisekunden, um Schutz- und Leitsysteme anzusprechen. Das ist eine harte Zahl“, betonte Transnet-BW-Chef Werner Götz in einem Zeitungsinterview vor Baubeginn.

Diese extrem kurze Reaktionszeit erfordert hochpräzise Steuerungssysteme, deren Zuverlässigkeit unter Realbedingungen erst noch bewiesen werden muss. Zudem gibt die Lebensdauer der Komponenten Anlass zur Sorge: Transformatoren halten im Schnitt 40 Jahre durch, für Batterien werden 20 Jahre angepeilt – ob die in der Praxis erreicht werden, ist ungewiss.

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