veröffentlicht am 24.09.2025 13:25
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Interviews
Wirtschaft, Netzwerken

„Wir brauchen Verlässlichkeit und Kontinuität in den Rahmenbedingungen“

Wo steht die Windenergie in Baden-Württemberg und wo liegen die größten Herausforderungen? Im Gespräch mit Michael Soukup, Teamleiter Projektentwicklung Wind Süddeutschland der EnBW.
Michael Soukup ist Teamleiter der Projektentwicklung Wind Süddeutschland bei der EnBW
© EnBW

Herr Soukup, Baden-Württemberg hat sich ambitionierte Ziele beim Ausbau der Windenergie gesetzt.

MS: Ja, die Ziele sind in der Tat ambitioniert: Zunächst sollen bis September dieses Jahres 1,8 Prozent der Landesfläche als Vorrangflächen für Windkraftanlagen ausgewiesen werden. Zuständig dafür sind die Regionalverbände und diese sind - zum Teil mit leichten Verspätungen - auf Zielkurs. Für uns als Projektierer von Windkraftanlagen sind die Regionalpläne wichtig, weil wir dann Klarheit in Bezug auf die nutzbaren Flächen haben.

Eine weitere Zielvorgabe war, bis 2030 die Errichtung von 1.400 Windrädern sicherzustellen. Aktuell sind rund 777 Anlagen bereits am Netz.

Wie bewerten Sie die Fortschritte im letzten Jahr?

MS: Hier gibt es Licht und Schatten: Positiv sind die vielen Beschleunigungsmaßnahmen durch die Novelle der Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED III) aus Brüssel, aber auch der Umsetzungswillen der einstigen Ampelkoalition und der aktuellen Bundesregierung. In Baden-Württemberg hat die Task Force Erneuerbare Energien einiges bewirkt.

Trotzdem sehen wir nicht die Wachstumsraten wie im Bundesgebiet. Die Windkraftprojektentwicklung bleibt in Baden-Württemberg ein anstrengendes Geschäft, mit sehr vielen Einflussfaktoren und einem komplizierten Zusammenspiel vieler Stakeholder. In diesem Zusammenspiel können und müssen wir besser werden. Die Zahlen sprechen hier eine deutliche Sprache und die sind bislang noch nicht erfreulich.

Wohin wird sich der Markt entwickeln?

MS: Das EEG wird sich in den kommenden Jahren weiter in Richtung Markt verändern. Aber noch gilt: Ohne feste Einspeisevergütungen steigt das Preis- und Vermarktungsrisiko für Anlagenbetreiber. In der Politik werden Kürzungen der Einspeisevergütungen diskutiert, um eine größere „Marktnähe“ der Windkraftanlagen zu erreichen. Die spezifischen Erzeugungskosten für Windstrom sind unschlagbar günstig, jedoch sorgen Steuern, Abgaben und Netzentgelte dafür, dass die Menschen die Vorteile der Erneuerbaren nicht in ihrem Geldbeutel spüren.

Sollten in Zukunft Windräder nur noch in den windhöffigsten Regionen gefördert werden, entstünden vor allem an den Küsten und im Flachland im Norden neue Anlagen. Strom müsste dann verstärkt über lange Strecken zu den Verbrauchern im Süden transportiert werden, was mit höheren (Netzausbau-)Kosten verbunden ist.

Aktuell steht auch das Referenzertragsmodell auf dem Prüfstand.

MS: Das sogenannte Referenzertragsmodell der Ampel-Regierung stellt bisher sicher, dass Windkraft verbrauchernah und großräumig über Deutschland verteilt produziert werden kann. Es schafft durch Zuschläge vergleichbare Wettbewerbsbedingungen, ob an einfach zu erschließenden Küstenstandorten oder aufwendigeren Standorten wie den Höhenzügen des Schwarzwalds.

Die leicht höheren Produktionskosten im Süden kompensieren somit den teuren Netzausbau. Die Beibehaltung des Referenzertragsmodells bringt also volkswirtschaftliche Vorteile. Zunehmend wird sich auch im Onshore-Bereich die Frage nach langfristigen Stromlieferverträgen („Power Purchase Agreements“) stellen. Eine Kopplung von PPA mit Direkteinspeisung wäre ein ideales Zukunftsszenario.

Trotz positiver Entwicklungen verläuft der tatsächliche Ausbau weiterhin langsamer als erhofft. Woran liegt das und welche Rolle spielt dabei die EnBW?

MS: Der Ausbau macht sich an den installierten Leistungen fest. Bundesweit sieht es hier sehr gut aus. Leider nicht in Baden-Württemberg. Bis eine Windenergieanlage Strom produziert, sind drei wesentliche Themenkomplexe zu durchlaufen: einmal die Flächenverfügbarkeit und Flächensicherung, dann das Genehmigungsverfahren und zu guter Letzt die Entscheidung zur Investition. Alle drei Themen spielen nicht im luftleeren Raum, sondern sind von einer Vielzahl von Faktoren abhängig. So können zum Beispiel die Flächenverfügbarkeit oder lokale Widerstände den Ausbau hemmen. Die EnBW setzt daher bewusst auf frühzeitige Kooperation mit Kommunen und bietet finanzielle Beteiligungsmöglichkeiten an. Mit solchen Partnerschaften werden Flächenpotenziale schneller und im Einklang mit der Bevölkerung vor Ort erschlossen.

Was sollte aus Ihrer Sicht besser laufen?

MS: In den Genehmigungsverfahren müssen wir die gesetzlich geschaffenen Beschleunigungsmöglichkeiten nun auch konsequent anwenden. Da würde ich mir wünschen, dass jeder Mitwirkende immer vor Augen hat, wie viel Aufwand uns eine Verzögerung und Nichtentscheidung im Genehmigungsverfahren kostet. Unser Ziel ist die kostengünstige Produktion von Windstrom. Somit gilt es bei den Projekten auch die Wirtschaftlichkeit im Fokus zu haben. Und jeder Tag, den wir uns im Genehmigungsverfahren sparen, spart uns auch Kosten. Dieses Mindset würde ich mir stärker bei allen Beteiligten wünschen.

Welche Herausforderungen und Chancen prägen die nächsten Jahre beim Windenergieausbau – aus Sicht der Branche und von EnBW?

MS: Allein in Baden-Württemberg haben wir Anträge für Windkraftanlagen mit einer Gesamtleistung von über 1.000 MW in die Genehmigungsverfahren gebracht. Diese Projekte sind nicht nur für die Genehmigungsbehörden, sondern auch für uns eine Herausforderung. Wir wünschen uns Effizienzsteigerungen bei den Genehmigungsverfahren durch stringente Anwendung der Digitalisierung, schnelle Prüfungen und Mut zu Entscheidungen. Die Verwaltungen sind leider noch nicht alle in der neuen Beschleunigungswelt angekommen, die nun die europäische und bundesdeutsche Gesetzgebung vorgibt.

Was fordern Sie von der Politik und den beteiligten Institutionen, damit Baden-Württemberg die Onshore-Windkraft konsequent vorantreiben kann?

MS: Wir brauchen jetzt vor allem eines: Verlässlichkeit und Kontinuität in den Rahmenbedingungen. Dazu gehört auch die Aussage, dass die Onshore-Windkraft eine zentrale Säule der deutschen und europäischen Energieversorgung ist und bleibt. Auf Seiten der Behörden brauchen wir ausreichend Ressourcen für die Genehmigungen, pragmatische und schnelle Entscheidungen und eine kostenbewusste Verwaltung – damit wir gemeinsam die Energiewende in Baden-Württemberg auch wirtschaftlich zum Erfolg führen können und Bürger wie Unternehmen gleichermaßen profitieren.

Kommen Sie am 2. Oktober 2025 auf den Windbranchentag Baden-Württemberg in Böblingen. Gemeinsam gestalten wir den Dialog mit der Politik. Nutzen Sie außerdem die Möglichkeit zum Netzwerken in der großen Fachausstellung.