Blitzmonitoring an Windenergieanlagen
Fast jeder Betreiber oder Betriebsführer von Windenergieanlagen kennt sie, die Störungen nach einem Gewitter. Ausfälle im Bereich der Kommunikation, bei den Controllern im Pitch-Bereich sowie Ausfälle bei Sensoren und Umrichtern sind häufig die Folge. Jeder kennt zudem die Bilder aus den Blattgutachten mit verschmorten Rezeptoren und blitzbedingten Schäden an den Rotorblättern, bis hin zu gewitterbedingten „worst case“-Großschäden aus den Medien, wie zerstörte Rotorblätter oder abgebrannte Anlagen.
Moderne und auch alte Anlagen sind in der Regel mit wirksamen Blitzschutzsystemen ausgestattet, jedoch können vorhandene Systeme vor-geschädigt werden und sind dann bei erneutem Blitzeinschlag nicht mehr wirksam. Zum Beispiel werden Blitzableitstrecken beeinträchtigt, indem sich Funkenstrecken vergrößern, oder Querschnitte der Ableitkabel verringern. Kommt es dann zu einem weiteren Einschlag, kann das System versagen und deutlich größere Schäden hervorrufen, bis hin zum Brand mit einem Totalverlust der WEA. Weitere Vorteile sind z. B.:
Kleinere Schäden (z. B. am Rotorblatt) können nach einer gezielten Kontrolle der WEA direkt erkannt werden, welche unentdeckt bei einem Weiterbetrieb zu deutlich größeren Schäden führen
Es können Defekte auftreten, die sonst nicht direkt mit einem Blitzeinschlag in Verbindung gebracht werden. Dies ist insbesondere wichtig, um die Serviceeinsätze für die Reparaturen gezielter planen zu können
Mögliche Schäden können, als von außen kommend erkannt, und der Versicherung gemeldet werden
Wiederholt auftretende Ausfälle nach einem erkannten Blitzeinschlag geben Hinweise zur Funktionsfähigkeit bestehender Blitzschutz- und Überspannungsableiter, in Bezug auf Optimierungen des vorhandenen Blitzschutzsystems
Aus den oben genannten Gründen ist ein Blitzmonitoring absolut sinnvoll und empfehlenswert, da sich durch das Erkennen von Blitzeinschlägen (im direkten Zusammenhang mit auftretenden Fehlern) hilfreiche Hinweise und Empfehlungen ableiten lassen. Welcher Betreiber möchte schon nach einem Gewitter jede seiner Anlagen visuell überprüfen, dies wäre eine zeitliche und wirtschaftliche Herausforderung. Hinzu kommt, dass sich 90 % der Blitze innerhalb der Wolken entladen. Zu wissen, wann ein Blitz mit Bodenkontakt aufgetreten ist, und welche seiner Anlagen im Windpark höchstwahrscheinlich getroffen wurden, ist der entscheidende Vorteil und das Ziel eines Blitzmonitorings. Ein weiterer Aspekt ist die Sicherheit, die in der Verantwortung des Betreibers (Anlagenverantwortlichen) liegt. Risiken durch herabfallende Teile, z. B. beim Weiterbetrieb mit vorgeschädigten Blättern, sollte zwingend vermieden werden.
Blitzeinschläge ohne Nachrüstung von Hardware erkennen
Um Blitzeinschläge in Windenergieanlagen, oder generell auch in andere bauliche Anlagen (wie z. B. Umspannwerke, Übergabestationen, PV-Parks, usw.) zu erfassen, gibt es verschiedene Möglichkeiten und Systeme. Neben einer fest zu installierenden Hardware in der jeweiligen Anlage, gibt es mittlerweile auch sehr sichere Möglichkeiten zum Blitzmonitoring, ganz ohne Hardware, die hier näher betrachtet werden sollen. Hierzu werden die vorhandenen Daten eines meteorologischen Netzwerks (z. B. von Meteorage) genutzt. In Europa werden Blitzentladungen über 140 verteilte Sensoren erfasst, die aufgrund ihres großen Detektionsradius von 500 km je Sensor, und der zeitgleichen Einbindung von 5 bis 8 Sensoren, je Blitzereignis, Lokalisierungsgenauigkeiten von 100 m mit einer Blitzortungseffizienz von > 98 % erreichen.
Die Zusammenführung der erfassten Blitzdaten mit den Koordinaten der Bauwerke, in erster Linie der Windenergieanlagen, ermöglicht die Erfassung von Blitzeinschlägen ganz ohne zusätzliche Hardwarenachrüstung. Tritt ein erfasstes Blitzereignis in dem zuvor festgelegten Radius auf, erhält der Kunde eine Benachrichtigung und einen Hinweis darauf, welche WEA von einem Blitz getroffen wurde, und mit welcher Intensität. In Abhängigkeit von der Stärke des Blitzes, oder der Anzahl von Einschlägen, lassen sich die Notwendigkeiten einer Kontrolle ableiten. Gab es z. B. einen eher schwachen Blitzeinschlag, und keine Auffälligkeiten im Betriebsverhalten und in den SCADA-Daten, wäre eine kurze Sichtkontrolle von außen (z. B. über einen Parkwart, mittels Fernglases) zu empfehlen und ausreichend. War die Intensität hoch und gab es mehrere Ereignisse oder Auffälligkeiten in den SCADA-Daten (Warnungen, Störungen, etc.), wäre eine Inspektion der WEA zu empfehlen, und vor allem auch kritische Bauteile wie Rotorblätter, Überspannungsableiter und Ableitstrecken zu kontrollieren. Hierzu ein Beispiel aus diesem Sommer:
15.07.2024: In diesem Fall wurden zwei Ereignisse gemeldet, die Bodenkontakt hatten.
Innerhalb des Radius liegt eine der überwachten WEA und somit konnten die Blitze mit einer Stärke von 8,2 kA und 14,2 kA zugeordnet werden.
Da die WEA in diesem Radius der höchste Punkt ist, gelten die Einschläge in die WEA als nahezu sicher.
Da dies ein doppelter Einschlag war, wurde dem Betriebsführer eine Inspektion empfohlen. Die WEA stand seit dem Ereignis auch in Störung und so konnte der Betriebsführer dem Serviceteam direkt den Auftrag mitgeben, das Blitzschutzsystem zu überprüfen. Neben der Reparatur im Pitch-Bereich wurden die Blitzfangstangen der Rotor-blätter neu eingestellt und angeschliffen, sowie die Ableitkabel auf thermische Beschädigungen hin überprüft.
Der Vorteil bei dem hardwareunabhängigen System liegt auf der Hand, da die Kosten der Hardware und Installation entfallen, sowie keine Nachrüstung mit Stillstandzeiten erforderlich ist. Des Weiteren fallen keine zusätzlichen Kosten für Systemwartung und Kommunikation zu einer Datenbank an und vor allem kann ein nicht verbautes System bei einem Blitzeinschlag auch nicht beschädigt werden.
Insgesamt fällt das Thema Blitzmonitoring in den Bereich der vorbeugenden Instandhaltung, und wird auch von den meisten Versicherern begrüßt, um möglichst größere Folgeschäden zu vermeiden. Erste Anzeichen aus Sicht der Versicherungen zeigen aufgrund der hohen Schadensquoten im Windbereich auf zukünftig steigende Prämien, Selbstbehalte und auch eine Erhöhung an Ausfalltagen, die ein Kunde selbst zu tragen hat. Somit rückt das Thema vorbeugende Instandhaltung mit Vermeidung von größeren Schäden immer weiter in den Fokus und sollte im Interesse eines jeden Betreibers sein. Ob ein vorbeugendes Blitzmonitoring bei möglichen Preiserhöhungen berücksichtigt wird, ist derzeit noch offen. Zumindest wurde in den Gesprächen mit den Versicherern dieses nicht kategorisch abgelehnt, und als Option im Raum stehen gelassen.
Dieser Beitrag erschien im BWE-BerteiberBrief 4-2024.