Brennstofffrei im Quartier
Dass KOKONI ONE einen anderen Weg geht als die meisten Neubauprojekte, zeigt sich schon auf den ersten Blick: So fallen die klimapositiven Holzfassaden und gemeinschaftlich genutzten Grünflächen direkt ins Auge. Anders sieht es mit den dachintegrierten Photovoltaikanlagen aus, die sich unscheinbar in die Gestaltung einfügen. Bei Fertigstellung im Herbst 2025 sollen ein Spielplatz und eine Streuobstwiese das ökologische Quartier abrunden.
Lauwarme Geothermie-Nahwärme
Eine der innovativen Komponenten des Wohngebiets befindet sich unter der Grasnarbe: Dort entziehen 68 Erdwärmesonden in bis zu 100 Metern Tiefe der Umgebung auf einem Temperaturniveau von 5 bis 20 °C Wärmeenergie. Diese wird dann über gedämmte Rohrleitungen zur Energiezentrale des Quartiers transportiert. Dort sorgen zwei zentrale Sole-Wasser-Wärmepumpen mit einer elektrischen Eingangsleistung von zusammen 74 Kilowatt und einer thermischen Ausgangsleistung von insgesamt 360 Kilowatt dafür, dass das Heizwasser auf eine Temperatur von 40 °C erwärmt wird.
Das 1.200 Meter lange Niedertemperatur-Nahwärmenetz bringt die Wärme dann in die Gebäude. Dank des Dämmstandards nach BEG-55-Norm und moderner Flächenheizungen kann der Wärmebedarf bereits mit diesen „lauwarmen“ Temperaturen gedeckt werden. Das gesamte Heizsystem arbeitet somit nicht nur emissionsfrei, sondern auch äußerst effizient. Durch den Einsatz von Ökostrom für die Wärmepumpen ist die Wärmeversorgung des Quartiers zudem vollständig umweltfreundlich.
Das gesamte Projekt wird vom Förderprogramm Wärmenetze 4.0 des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) unterstützt. Die naturstrom AG hat im Rahmen von Modul 1 eine Machbarkeitsstudie erstellt und die Zuwendungsbescheide für die investiven Förderungen im Modul 2 erhalten.
Ein regenerativer Wärme-Kreislauf
Das Nahwärmenetz bietet nicht nur in der Heizperiode Vorteile, sondern kann auch im Sommer zur passiven Kühlung genutzt werden. Überschüssige Wärme wird den Gebäuden entzogen und ins Erdreich zurückgeführt. Eine 200 Kilowatt Rückkühleinheit auf dem Dach der Energiezentrale leitet im Sommer zusätzlich Wärme aus der Umgebungsluft ins Erdreich. So wird das Sondenfeld energetisch regeneriert und es entsteht ein Kreislauf nachhaltiger Energieerzeugung. Außerdem lassen sich so auch die Anzahl der benötigten Erdsonden beträchtlich reduzieren und Investitionskosten sparen.
Gemeinschaftlicher Solarstrom
Die schon erwähnten dachintegrierten Photovoltaikanlagen mit einer Gesamtleistung von knapp 410 Kilowatt Peak sind technisch und energiewirtschaftlich in einer Kundenanlage zusammengefasst und bilden ein weiteres Kernstück des nachhaltigen Energiekonzepts. Innerhalb der gemeinschaftlichen Anlage kann die Solarstromerzeugung von den Dächern der 84 Doppelhaushälften und Reihenhäuser bestmöglich genutzt werden. Erst am Netzverknüpfungspunkt des Quartiers kommt der lokale Verteilnetzbetreiber in Spiel. Mit dem individuellen Anschluss jeder einzelnen Photovoltaik-Anlage ans öffentliche Stromnetz wäre eine derart optimierte Direktversorgung mit Solarstrom nicht möglich.
Nach der Novelle des EEG im Jahr 2023 kann mehr Photovoltaikleistung als zunächst geplant installiert werden. Das bei der Planung geltende EEG 2021 beschränkte die Anlagengröße de facto auf 300 Kilowatt peak, da Restriktionen bei der Netzeinspeisung eine größere Anlage unwirtschaftlich gemacht hätten. Die Novelle ermöglicht nun, dass die noch zu errichtenden Gebäude mit mehr dachintegrierten Modulen bestückt werden können, als bei Baubeginn erwartet.
Intelligente Sektorenkopplung
Bei der Sektorenkopplung zeigen sich die vielen ökologischen und ökonomischen Vorteile ganzheitlicher Energielösungen. Der Solarstrom wird nicht nur den Haushalten im Rahmen eines Mieterstromtarifs angeboten, sondern steht auch den zwei Wärmepumpen als dem zentralen Heizsystem des Quartiers zur Verfügung. Auch die dezentrale Trinkwasseraufbereitung mittels elektrischer Durchlaufsysteme und die an den Stellplätzen integrierten Vorrüstungen für Wallboxen zur Ladung von Elektrofahrzeugen nutzen den vor Ort erzeugten Sonnenstrom.
Die gezielte und prädiktive Steuerung über die Energiezentrale stimmt die verschiedenen Bereiche hierbei optimal aufeinander ab. Durch diese intelligente Kopplung der Sektoren Strom, Wärme und Mobilität wird die vor Ort produzierte grüne Energie so effizient wie möglich genutzt, sodass über 30 Prozent des lokalen Strombedarfs von den Photovoltaikanlagen gedeckt werden. Bilanziell – also unter Einbeziehung des Solarstroms, der zu Mittagszeiten ins öffentliche Netz eingespeist wird – liegt der Anteil der lokalen Erzeugung am Strombedarf übers ganze Jahr betrachtet bei über 60 Prozent. Mit einem preisgünstigen Mieterstrom-Tarif und der damit verbundenen App können die künftigen Bewohner:innen ihren Selbstversorgungsgrad und den ihres Quartiers noch weiter erhöhen und so die Klimabilanz weiter verbessern.
Ausblick auf zukünftige Quartiersentwicklungen
KOKONI ONE steht beispielhaft für die ambitionierten Pläne zur Wärmewende. Im Vergleich zu konventionellen Versorgungsmethoden spart das Öko-Quartier über 290 Tonnen CO₂ pro Jahr ein – und das ohne Berücksichtigung der klimafreundlichen Bauweise. Anpassbare Grundrisse ermöglichen zudem eine flexible Nutzung der Gebäude und erleichtern zukünftige Umbaumaßnahmen. Das Projekt übertrifft die gesetzlichen Anforderungen und zeigt, wie die Klimaschutzziele im Gebäudesektor erreicht werden können. Angesichts steigender Kosten und der Unzuverlässigkeit fossiler Energieträger ist die Entscheidung für eine brennstoff- und emissionsfreie Versorgung durch erneuerbare Energien nicht nur ökologisch, sondern auch ökonomisch sinnvoll.
Mit dem Einzug der ersten Bewohner:innen im Sommer 2023 ist ein wichtiger Meilenstein für die Realisierung des Zukunfts-Wohnviertels bereits erreicht. Die letzten Häuser sollen Ende 2025 fertiggestellt werden.
Quelle: naturstrom AG