Herausforderung PV-Fernüberwachung in einem einzigen Monitoringsystem

Anwendungen zu Fernüberwachungen von PV-Anlagen sind längst etabliert. Wozu braucht es ein einheitliches Monitoringsystem?
Markus Krampe: Lange Zeit galt bei Monitoringsystemen: Die Kommunikationshardware des Wechselrichterherstellers, die vor Ort eingebaut ist, bestimmt auch, mit welchem Softwaretool des zumeist identischen Herstellers das Monitoring aus der Ferne erbracht wird. Eine Wahl gab es oft nicht. Das hat sich im Laufe der Zeit immer mehr geändert.
Durch das anorganische Wachstum aus verschiedenen Zeitaltern und Technik von verschiedenen Herstellern war im Laufe der Zeit ein heterogenerer Zoo aus 15 Anwendungen zur Fernüberwachung gewachsen.
Die komplizierte Handhabung verschiedener Systeme war zunehmend ineffektiv und belastend, da dem Monitoring-Team der Blick auf das Wesentliche versperrt wurde. Jede Arbeitskonsole sah anders aus. Außerdem waren die Funktionen, bzw. Fehlerdiagnosemöglichkeiten unterschiedlich. Außerdem – und das war das schwerwiegendste Argument für die zügige Auflösung dieses Zustands – die Mitarbeiter mussten aktiv zu bestimmten Zeitfenstern nach Fehlern suchen.
Es hatten sich zuletzt verschiedene Systeme angesammelt. Schnell stand der Entschluss fest: Ein neues, modernes und vor allem einheitliches System muss her. Idealerweise bietet dieses System auch noch eine effektive Unterstützung bei der regelmäßigen Berichterstellung.
Wie sind Sie bei der Entwicklung eines einheitlichen Monitoringsystems vorgegangen?
MK: Da es sehr viele verschiedene Monitoringsysteme am Markt gibt, wurde ein Team aus internen und externen Experten zusammengerufen. Es galt ein Lastenheft zu entwickeln und herauszufinden, was wirklich benötigt wird und uns bei der täglichen Arbeit hilft, was der Stand der Technik ist sowie welche Funktionen absolut notwendig sind und welche Funktionen eher zweitrangig sind.
Sehr schnell wurde das IT-Projekt in zwei Teile aufgeteilt, da sehr viele Anforderungen besser in ein Enterprise-Assetmanagement-System bzw. auf ein Enterprise-Resource-Planning-System passen. Zunächst galt es daher, sich auf Kernanforderungen für das Anlagenmonitoring zu fokussieren. Die Digitalisierung von technischen Annex- bzw. Betriebsprozessen, die sich aus Feststellungen aus der Überwachung ergeben – wie first level on-site-Entstördienst und Vorbereitung und Dokumentation der regelmäßigen Wartung wurden in einen zweiten Digitalisierungsschritt geschoben. Es hat sich im Auswahlprozess gleich zu Beginn gezeigt, dass dies die richtige Entscheidung war. Da die Monitoringsoftware-Anbieter derzeit nur Teile dieses zweiten Digitalisierungsschritts anbieten, im Wesentlichen eben Ticketsysteme. Ein solches System durfte aber durch die Festlegung auf ein Monitoringsystem nicht unmöglich gemacht werden. Daher haben wir gleich zu Beginn des Lastenhefts eine restAPISchnittstelle als sehr wichtiges Kriterium für uns identifiziert.
Welche weiteren Aspekte waren bei der Entscheidungsfindung relevant?
MK: Ein weiterer wichtiger Punkt für ein neues System ist ein einfaches User-Management. Es muss ein differenziertes Benutzerverwaltungssystem für verschiedene interne Nutzergruppen (z. B. Leitwartenexperten und Betriebsführer) und externe Nutzer (z. B. Kunden und Servicevertragspartner) geben. Die Plattform soll auch in mehreren Sprachen (mindestens Deutsch, Englisch, Französisch) verfügbar sein. Weitere Kriterien waren, dass die Nutzung von Standardvorlagen für Störungstickets, Produktionsberichte oder Kennzahlen möglich sein soll und dass Dashboards individuell konfiguriert werden können, z. B. für KPI oder den Anlagenstatus in Verbindung mit Alarmen und Warnmeldungen. Wichtig ist zudem der Zugriff auf Echtzeit-Daten und historische Daten zur Analyse und Bewertung der Anlage sowie das Alarm- und Ereignismanagement mit automatischer Erkennung und ggf. Diagnoseunterstützung. Das Monitoringsystem soll standardisierte und individuelle Produktionsberichte automatisch erstellen und exportieren und muss erweiterbar sein, um ggf. weitere Daten integrieren zu können (z. B. Wetterdaten, Energiehandel). Schließlich soll der favorisierte Anbieter bei der Migration der Systeme wirkungsvoll unterstützen können und erreichbar sein.
Von der Longlist zur Shortlist: Wie erfolgte die Auswahl des Anbieters?
MK: Neben der Intersolar, den Empfehlungen der Berater und auf Basis von Veröffentlichungen wurde das Lastenheft an alle am Markt bekannten Anbieter gesendet. Damit war es möglich bei diesem Prozess die Oberhand zu behalten, denn jetzt mussten die Anbieter reagieren. Somit konnten gleich die Unternehmen ausgeschlossen werden, die die Daten nicht in Europa speichern wollen. Einige Anbieter haben auch trotz Erinnerung nicht geantwortet und sich damit selbst aus dem Rennen genommen.
Durch die Bewertungsstufen 0 (nicht erfüllt), 2 (teilweise erfüllt) und 4 (voll erfüllt) wurden schließlich zwei Anbieter auf die Shortlist genommen. Als sehr aufschlussreich in diesem Entscheidungsprozess haben sich die geforderten Konzepte zu ganz bestimmten Anforderungen im Lastenheft herausgestellt. Das Ansinnen war, sich nicht selbst die Informationen aus Marketingfolien zusammenzusuchen, sondern belastbare, verbindliche Aussagen der Anbieter zubekommen, die dann für uns vergleichbar sein würden. Hier mussten die Bewerber zu folgenden Schwerpunkten Ausführungen machen – dabei war der Umfang der Antwort jeweils begrenzt – meistens auf 2 Din A4 Seiten. Zu den erforderlichen Angaben gehörte die Nennung eines konkreten Projektleiters mit Lebenslauf, ein Integrations- und Migrationskonzept sowie ein IT-Sicherheitskonzept und Ausführungen zu den Funktionalitäten des Alarmmanagements und zu den Funktionalitäten im Bereich Analysen und Reporting. Gerade hierdurch hat sich die Spreu vom Weizen getrennt. Nur zwei Anbieter haben sich die Mühe gemacht und jeweils belastbare und nutzbare Konzepte erarbeitet.
Mit beiden verbleibenden Anbietern wurden dann Gespräche aufgenommen. Erste Einschätzungen zu Preisen und der möglichen Migration der Bestandsanlagen wurden ausgetauscht. Über Interviews bzw. Besuche bei Bestandskunden konnten wir wertvolle neue Erkenntnisse aus der Anwendungspraxis gewinnen. Daneben haben wir uns die Zeit genommen, um die beiden Lösungen im Praxistest mit echten Daten auszuprobieren. Parallel starteten Vertragsverhandlungen mit beiden Partnern. In dieser ersten praktischen Phase haben sich deutliche Herausforderungen auf unserer Seite in den Parks selber gezeigt: Die Datenlogger werden eine Herausforderung – die nichts mit der Systemauswahl zu tun hat. Beide Lösungen erwarten die Bereitstellung der Daten (ftp-push).
Was war für die finale Auswahl entscheidend?
MK: In den detaillierten Testphasen hat sich dann ein System durch das effektivere Alarmmanagement ausgezeichnet. Der besser strukturierte Vertrag und eine nachvollziehbare Preisstaffelung für die Lizenz haben unsere Entscheidung abgerundet. Letztendlich konnten wir beim Anbieter, der den Zuschlag bekommen hat, unser hier vorgestelltes Lastenheft als Anhang zum Vertrag dazu nehmen. Es war der Plan, eine belastbare Entscheidung für die nächsten 5 oder 10 Jahre zu treffen. Obwohl wir mitten in der Integrationsphase sind, ist das ganze Team mit der Entscheidung sehr zufrieden.
Dieser Beitrag erschien im BWE-BetreiberBrief PV 1-25.