5 Fragen zu Wasserstoff an: Felix Mayer, Green Hydrogen Esslingen

1. Herr Mayer: Lohnt sich das Wasserstoffgeschäft (schon)?
Die Wasserstoffindustrie ist eine junge Industrie. Pioniere wie wir schlagen neue Wege ein und haben es so immer erst einmal schwer. Es gibt praktisch keine Best-Practise-Beispiele, keine etablierten Märkte und Abnehmer. Basierend auf den Erfahrungen werden also auch die ersten Erkenntnisse in Sachen Wirtschaftlichkeit gelegt. Wir gehören zu den ersten Wasserstoff-Produzenten im Neckarraum. Mit unserem Projekt haben wir zunächst einmal bewiesen, dass es möglich ist innerorts grünen Wasserstoff zu produzieren. Zudem zeigen wir, wie die Abwärme bei diesem Prozess zur Warmwasserversorgung und zu Heizzwecken im Stadtquartier genutzt und damit der Gesamtwirkungsgrad gesteigert werden kann. Das ist ein wichtiger Aspekt, damit sich die Wasserstofferzeugung lohnt. Aber auch politisch muss sich noch einiges tun, um (grünen) Wasserstoff gegenüber fossilen Energien zu stärken.
2. Nach welchen Kriterien produzieren Sie Wasserstoff?
Wir nutzen ausschließlich Strom aus erneuerbaren Energien. Zudem betreiben wir den Elektrolyseur stromsystem- und somit energiewendedienlich. Das heißt, wir nutzen dann Strom, wenn viel erneuerbare Energien im Stromnetz sind, also bei viel Sonne und Wind. Anstatt die PV- und Windkraftanlagen dann abzuregeln, wird die Energie so zur Wasserstofferzeugung eingesetzt. Der zu Zeiten von „Stromüberschuss“ niedrige SPOT-Strompreis macht dies für uns einmal attraktiver – und unterstützt zugleich die Netzstabilität. Zudem haben wir direkte PPAs mit einer Windkraftanlage und zwei PV-Parks, die wir in unserer Betriebsweise berücksichtigen.
Dies alles wird vollautomatisch von unserem Energiemanagementsystem gesteuert. Dabei werden Wetterprognosen, Strom- und Wärmebedarfe im Quartier sowie die überregionalen Strompreise berücksichtigt. Anhand dieser Informationen werden die Fahrpläne für den Elektrolyseur und BHKW erzeugt und optimiert. Das erfolgte bisher Day-Ahead, sprich einen Tag im Voraus. Seit kurzem optimieren und regeln wir den Betrieb in Echtzeit und nehmen auch am kurzfristigen Intraday Handel teil.
3. Wie verteilen Sie Ihren Wasserstoff?
Aktuell speisen wir unseren grünen Wasserstoff ins Erdgasnetz ein und verdrängen dort fossile Energien.
In naher Zukunft werden wir uns an H2-Genesis anschließen. Das ist eine H2-Pipeline, welche im Neckarraum zwischen Stuttgart und Esslingen entsteht. Mit ihr steht unser grüner Wasserstoff auch der lokalen Industrie und Wasserstoff-Tankstellen zur Verfügung. Durch diese Art der stofflichen Nutzung von Wasserstoff tragen wir einmal mehr zur Dekarbonisierung bei als über die reine Einspeisung ins Erdgasnetz. Auch ermöglichen wir es somit Unternehmen ihre Treibhausgasemissionen zu reduzieren, die sich aktuell schwertun.
4. Sie haben 2021 das erste Mal Wasserstoff erzeugt. Was sind die Learnings, die Sie anderen weitergeben können?
Seitdem wir 2016 mit der Idee gestartet sind, haben wir mit unserem Projekt in vielen Feldern der Wasserstofferzeugung Praxiserfahrungen gesammelt. Während damals viele am Wasserstoffmarkt gezweifelt haben, hat sich der Wind nun gedreht. Es gibt heute eine Wasserstoffstrategie der Bundesregierung sowie Pläne für ein Wasserstoff-Kernnetz und die Erwartungen an den Wasserstoff insgesamt sind groß. Die einstige Skepsis ist fast schon in zu viel Optimismus umgeschlagen. Hat es vor acht Jahren noch lange gedauert die passenden Partner zu finden, werden heute auch deutlich größere Projekte geplant als unseres. Vieles, wie zum Beispiel der Genehmigungsprozess, sind auch durch unsere Erfahrungen inzwischen einfacher geworden. Dennoch, die große Herausforderung bleibt, grünen Wasserstoff wirtschaftlich lohnend zu erzeugen und die Infrastruktur zur Wasserstoffnutzung bereitzustellen. Da sind wir deutschlandweit lange noch nicht am Ziel.
Eine starke Erkenntnis aus unserem Projekt für andere Elektrolyse-Projekte ist ganz klar der große Vorteil durch die Abwärmenutzung. Es gibt immer wieder Tage und auch Wochen, in denen der Wärmebedarf für die 167 Wohneinheiten im angrenzenden Gebäude ausschließlich durch die Elektrolyse-Abwärme gedeckt wird.
5. Welche politischen Weichenstellungen würden Ihnen geschäftlich helfen?
Der grüne Wasserstoff ist politisch gewollt. Das ist erst einmal ein positives Signal auch mit Blick auf die Investitionsbereitschaft. Bis 2030 sollen in Deutschland 10 Gigawatt an Elektrolyseleistung installiert sein. Wichtig ist es, die Ziele mit der nötigen Durchsetzungskraft anzugehen. Noch sind wir davon weit entfernt. Die Elektrolyseleistung liegt aktuell bei grob 0,1 Gigawatt – also ein Prozent der geplanten Leistung, die in 5 Jahren erreicht sein soll.
Es reicht nicht, eine Elektrolyseleistung als Ziel zu haben, es braucht auch die Abnehmer, die grünen Wasserstoff benötigen. Momentan wird nur der Absatz im Mobilitätssektor durch die THG-Quote politisch gefördert. Für die Industrie gibt es solche Anreize nicht. Es braucht sie jedoch dringend, um Angebot und Nachfrage im Wasserstoffmarkt voranzubringen.
Dabei reduziert grüner Wasserstoff nicht nur die CO2-Emissionen, er wird langfristig auch günstiger als fossile Energien sein und macht uns als Industrieland weniger abhängig von einzelnen Staaten. Um diese Vorteile zu nutzen, müssen wir die Transformation unseres Energiesystems jedoch beschleunigen, mehr erneuerbare Energien produzieren und in die Netzinfrastruktur investieren.