Repowering von Windenergieanlagen ohne Hindernisse?
Die zentrale Norm für das Repowering (§ 16b BImSchG) – also zur Modernisierung von Anlagen zur Erzeugung von Strom – wurde im August 2021 eingeführt und im Juli 2024 bereits das dritte Mal geändert. Durch diese Gesetzesänderung wurden die Voraussetzungen für den Fall des Repowerings geändert, bei dem die Modernisierung mit dem vollständigen Rückbau einer Anlage einhergeht, § 16b Abs. 2 Satz 2 BImSchG. So muss die neue Anlage statt innerhalb von 24 Monaten in 48 Monaten nach dem Rückbau der Bestandsanlage errichtet werden. Auch der Abstand zwischen den Standorten der Bestandsanlage und der neuen Anlage wurde von höchstens das Zweifache der Gesamthöhe der neuen Anlage auf das Fünffache der Gesamthöhe ausgeweitet.
Vereinfachung der Beschleunigung
Die Modernisierung von Windenergieanlagen geht mit einem vollständigen Rückbau der alten Anlagen einher. Ohne die spezialgesetzlichen Regelungen zum Repowering müssten die neuen Anlagen ein vollständig neues Genehmigungsverfahren durchlaufen. Durch die spezialgesetzlichen Normen zum Repowering wird das immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren für den Betrieb und die Errichtung von neuen Windenergieanlagen, die anstelle von Bestandsanlagen treten, erleichtert. Das Verfahren der Zulassung des Repowerings wird als Änderungsgenehmigungsverfahren geführt, und berücksichtigt unmittelbar auch den Wegfall der Wirkungen der Bestandsanlagen.
Prägende inhaltliche Erleichterung für das Repowering ist die sog. Deltaprüfung. Diese begrenzt die Prüfungsreichweite der Genehmigungsvoraussetzungen auf Auswirkungen, die sich im Vergleich zum Ist-Zustand der Anlagen nachteilig auswirken können (vgl. BT-Drs. 19/30954, S.12). Das hat zur Folge, dass einer modernisierten Anlage nicht entgegengehalten werden kann, dass sie die aktuellen gesetzlichen Vorgaben des Immissionsschutzrechtes nicht einhält, wenn keine Verschlechterung des Zustandes im Vergleich zu der Bestandsanlage eintritt. Auch bei der Prüfung der Schallimmissionswerte wird der Ist-Zustand berücksichtigt. Wenn ein Bestandswindpark die aktuellen Lärmvorgaben nicht einhält, bleibt ein Repowering möglich, solange sich die Schallimmissionswerte an dem Immissionsort reduzieren, § 16b Abs. 3 BImSchG. Insofern wurde berücksichtigt, dass die Lärmanforderungen an die Zulassung stetig verschärft wurden. Durch die letzte Gesetzesänderung wurde durch die Einfügung „absolut“ im Wortlaut der Norm klargestellt, dass keine Rundung des Immissionsbeitrages der Windenergieanlage erfolgen soll (BT-Drs 20/7502, S. 22). Jede Verbesserung der Schallbelastung, auch eine geringe von nur 0,1 dB(A), ist ein niedriger Immissionsbeitrag im Sinne des § 16b Abs. 3 BImSchG; es ist nicht notwendig, dass die Verbesserung ein volles dB(A) beträgt.
Eine weitere Erleichterung des Zulassungsverfahrens ist, dass die Statthaftigkeit des vereinfachten Verfahrens ausgeweitet wurde. Grundsätzlich ist bei einer Änderungsgenehmigung das förmliche Verfahren durchzuführen, wenn die wesentliche Änderung eine im förmlichen Genehmigungsverfahren zu genehmigende Anlage betrifft, § 16 Abs. 2 Satz 3 BImSchG. Bei einem Repowering wird hingegen auf die Anzahl der zu modernisieren-den Anlagen abgestellt. Erst ab 20 repowerten Anlagen ist das förmliche Verfahren obligatorisch, § 16b Abs 6 Satz 1 BImSchG. Ausgenommen sind jedoch Repoweringvorhaben, bei denen die zu modernisierenden Windenergieanlagen einer Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) zu unterziehen sind. Zwar wird auch für die UVP-Pflicht der Schwellenwert bei 20 Anlagen festgesetzt, vgl. Anlage 1 (UVPG) Nr. 1.6.1., ein wesentlicher Unterschied ist jedoch, dass nicht auf die Anzahl der zu modernisierenden Anlagen abzustellen ist, sondern auf die Anzahl der Windenergieanlagen, mit denen die modernisierte Anlage eine Windfarm bildet (vgl. BT-Drs 20/7502, S. 22). Wenn die Anlage sich in ihrem Einwirkungsbereich mit anderen Anlagen überschneidet und mit diesen in einem funktionalen Zusammenhang steht, muss eine UVP durchgeführt werden.
Die UVP-Pflicht und damit das förmliche Genehmigungsverfahren kann jedoch wieder entfallen, wenn die Windenergieanlage in einem Windenergiegebiet im Sinne des § 6 WindBG liegt. Bei einem Repowering an einem Windenergiegebiet ist zu beachten, dass die Lage einzelner Windenergieanlagen außerhalb der Windgebiete, rechtlich explizit nicht geregelt ist. Richtig dürfte dann sein, dass die Lage auch nur einer Anlage außerhalb des Windenergiegebiets quasi das Projekt insgesamt „infiziert“. Dann ist für alle Anlagen eine UVP-Vorprüfung (oder ggf. auch eine vollständige UVP) durch-zuführen, wenn die Anlagen nicht allesamt von § 6 WindBG erfasst sind.
Repowering und Planungsrecht
Grundsätzlich ist zu beachten, dass bestimmte Zulassungsanforderungen wie das Raumordnungs- und Bauplanungsrecht grundsätzlich umfassend (ohne Erleichterung) auch bei einem Repowering zu prüfen sind, § 16b Abs. 4 BImSchG.
Jedoch sieht hier das Planungsrecht selbst Erleichterungen vor. Umfangreiche Änderungen für die Windenergie traten mit § 245e BauGB im Februar 2023 in Kraft. Von Bedeutung für das Repowering ist vor allem § 245e Abs. 3 BauGB, wonach die Ausweisung von Konzentrationszonen für die Versagung eines Repoweringvorhabens nicht mehr ausreicht. Windenergieanlagen liegen häufig im Außenbereich und sind dort nur zu-lässig, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen, § 35 Abs.1 BauGB. Öffentliche Belange stehen Windenergievorhaben in der Regel entgegen, soweit hierfür eine Ausweisung an anderer Stelle erfolgt ist, § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB. Diese planerische Ausschlusswirkung kann Repoweringvorhaben nicht entgegengehalten werden, es sei denn, die Grundzüge der Planung werden berührt, § 245e Abs. 3 BauGB. Aus dem Gesetzeswortlaut „es sei denn“ wird die Umkehr des Regel-Ausnahme-Verhältnisses erkenn-bar (vgl. BT-Drs 20/2355, S. 32). Demnach berühren Repoweringvorhaben nur ausnahmsweise die Grundzüge der Planung und können demnach nur ausnahmsweise eine Genehmigungsversagung begründen. Der Vortrag, dass das Repoweringvorhaben außerhalb der positiv ausgewiesenen Flächen liegt, kann folglich allein nie ausreichen. Vielmehr werden die Grundzüge der Planung in diesem Sinne erst berührt, wenn durch die Zulassung des konkreten Repoweringvorhabens die vollständige oder teilweise Funktionslosigkeit der Planung droht. Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht (Urt. v. 27. Juni 2023 – 12 KS 104/21) ist der Ansicht, dass die Funktionslosigkeit einer Ausschlusswirkung allenfalls dann vorliegt, wenn diese „quasi flächendeckend missachtet“ wird. Das wird bei einem einzelnen Repoweringvorhaben nicht der Fall sein.
Allgemeiner Wechsel des Anlagentyps
Eine weitere – auch vom eigentlichen Repowering unabhängige – praxisrelevante Einschränkung des Prüfungsumfangs liegt nach § 16b Abs. 7 BImSchG Fälle vor, in denen vor Errichtung der Anlage Änderungen der Genehmigung notwendig werden. Demnach müssen im Änderungsgenehmigungsverfahren nur dann Anforderungen geprüft werden, soweit durch die Änderung des Anlagentyps im Verhältnis zur genehmigten Anlage nachteilige Auswirkungen hervorgerufen werden und diese für die Prüfung erheblich sein können, § 16b Abs. 1 Satz 1 BImSchG. Durch die neueste Gesetzesänderung wurde dies nun auch ausdrücklich für Standortverschiebungen bis zu 8 Metern, Erhöhungen der Gesamtanlage bis zu 20 Metern und Verringerungen des Rotordurchlaufs um nicht mehr als 8 Meter normiert. Für diese Fälle wurde durch die Gesetzesänderung klargestellt, dass sie als veränderte Fortsetzung einer bereits bestehen-den Anlage gewertet und nicht Gegenstand eines gänzlich neuen Genehmigungsverfahrens werden. Der Streit, ob Standortverschiebungen eine wesentliche Änderung sind oder ein neues Genehmigungsverfahren erforderlich machen, wurde damit beigelegt. Diese Regelung zeigt, dass es bei einem Typenwechsel mit Standortverschiebung – immer – nur eines Änderungsgenehmigungsverfahren bedarf.
In der Gesamtschau sind die Gesetzesänderungen als wichtiger Beitrag für den Ausbau der Erneuerbaren Energien zu werten. Mit Blick auf die Zukunft brauchen wir den technischen Fortschritt genauso wie zukunftsgerichtete Gesetzesänderungen. Für das Erreichen der Klimaziele ist es unerlässlich mehr Anlagen in kürzerer Zeit zu genehmigen, was nur durch einen weiteren Bürokratieabbau gelingen kann.
Dieser Beitrag erschien im BWE-BerteiberBrief 4-2024.